Barbara Reifler
Ich habe nach einer kaufmännischen Berufslehre und der Polizeischule die Thurgauisch-Schaffhauserische Maturitätsschule für Erwachsene (TSME) und anschliessend das Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Luzern absolviert. Ich war neben der Polizeiarbeit bei der Staatsanwaltschaft und Jugendanwaltschaft tätig. Seit 3.5 Jahren leitete ich das Amt für Justizvollzug, bevor ich von der St.Galler Regierung zur Kommandantin der Kantonspolizei gewählt wurde.
Es war ein bunter Mix: Vorfreude, jeweils vor den Modulen, viel Inspiration und Austausch mit den Kommilitoninnen und Kommilitonen, spannende und anregende Referate von erfahrenen Referentinnen und Referenten aus Sport und Wirtschaft und das Wohl Strengste: viele Inputs zur Selbstreflexion und Auseinandersetzung in Gruppen mit den Führungskräften aus allen möglichen verschiedenen Branchen.
In den vergangenen Jahren hatte ich mit der Familie (3 Kinder) und der Führungsaufgabe nur noch kleinere Weiterbildungen absolviert. Lernen und mich weiterentwickeln gehören zu meinem Leben dazu. In der Führungsfunktion habe ich immer wieder erlebt, wie schön es ist, Menschen und Organisationen in ihrer Entwicklung zu begleiten. Gleichzeitig erlebte ich mehrmals Situationen, in denen die von mir angestrebten Entwicklungen und Veränderungsprozesse heraufordernd waren. Deshalb suchte ich nach Weiterbildungen zu Change und Innovation und stiess auf den CAS. Dass einige der Referentinnen und Referenten einen engen Bezug zum Sport haben, sprach mich zusätzlich an.
Gerade wenn man aus der Verwaltung kommt, sprechen die Leute aus der Wirtschaft jeweils eine etwas andere Sprache. Wenn man dann aber über Menschen oder sich selbst spricht, wird deutlich, dass man, unabhängig der Branche, doch mit den gleichen Themen beschäftigt ist. Ich fand den Austausch mit Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus der Auto- oder Elektroindustrie, der Finanzbranche, dem Tourismus oder auch von Bildungseinrichtungen sehr spannend. Wir waren in jeder Hinsicht divers unterwegs. Gerade auch die Alters- und Geschlechterdurchmischung war ein grosses Plus.
Vielen Dank! Ich war in meinen jungen Jahren bereits einmal Polizistin und habe mich in den Jahren dazwischen mit straffällig gewordenen Menschen aus unterschiedlichen Perspektiven beschäftigt. Dahin zurückzukehren mit verschiedenen Erfahrungen im Rucksack und eine solche Organisation zu leiten, empfinde ich als reizvolle Aufgabe. Traditionell ist die Polizei eine hierarchisch, dem Militär angelehnte Organisation, die männlich geprägt ist. Hier ist eine Entwicklung in Gange. Die Polizei muss auch in Zukunft junge engagierte Mitarbeite-rinnen und Mitarbeiter finden, die zu einem sicheren Lebensraum der Gesellschaft beitragen möchten. Eine schöne und sinnstiftende Aufgabe, wie ich finde. Die meisten Polizeikorps in der Schweiz wünschen sich mehr Frauen, gerade auch in den Führungsetagen. So wurde ich schliesslich von der Regierung in dieses Amt gewählt.
Die Kantonspolizei St.Gallen ist eine grosse Organisation mit über 1'000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit dezentralen Standorten im ganzen Kanton. Wir arbeiten 24 Stunden und 7 Tage die Woche. Am 1. Dezember 2024 wurde mir vom Regierungsrat in einem feierlichen Akt die Organisation und damit auch das Gewaltmonopol übertragen. Eine grosse Verantwortung, die ich mit Respekt angetreten habe. Ich bin nun dabei, die Menschen in der Organisation und ihre Aufgaben kennenzulernen. Es ist mir wichtig, zu verstehen, warum die Dinge so gewachsen sind, wie sie heute sind. Ich wurde bislang mit viel Wohlwollen und Freundlichkeit empfangen.
Polizistinnen und Polizisten setzen sich in ihrer täglichen Arbeit oft gefährlichen Situationen aus, um für «Ruhe und Ordnung» zu sorgen. Das verdient gesellschaftlichen Respekt. Ich höre oft, dass Polizistinnen und Polizisten nicht mehr der gleiche Respekt entgegengebracht wird. Das hört man auch von anderen Berufsgruppen. Die jüngere Generation ist sich gewohnt, dass ihre Bedürfnisse bereits als Kinder ernst genommen werden und sie ihre Meinung einbringen können. Das ist grundsätzlich eine positive Entwicklung. Das ergibt ein anderes Verständnis von Autorität. Diese muss heute viel mehr aus der Persönlichkeit jeder und jedes einzelnen kommen und nicht mehr «nur» Kraft des Amtes oder einer Uniform. Hier braucht es ein neues Verständnis auch in der Polizeiarbeit.
Das Engagement für das Gemeinwohl ist für mich und mein Leben mit viel Sinnhaftigkeit verbunden. Das ist sicher ein starker Treiber, einen Beitrag zu leisten für ein friedliches Zusammenleben. An den neuen Aufgaben kann ich selbst immer wieder viel lernen, mich weiterentwickeln und gerade auch in herausfordernden Situationen wachsen.
Wir alle verbringen unglaublich viel Zeit bei der Arbeit. Da sollte es uns Spass und Freude bereiten, zu etwas Grösserem beizutragen. Ich habe alle meine Aufgaben mit viel Freude, Lust und Engagement gemacht. Sinnhaftigkeit spielt dabei sicher eine wichtige Rolle. Hier möchte ich ein gutes Vorbild sein, diese Sinnhaftigkeit herausstreichen und möglichst viele begeisterte und motivierte Polizistinnen und Polizisten auf diesen Weg mitnehmen. Ich wünsche mir eine Organisation, in der sich die Mitarbeitenden beteiligen, ihren Spielraum und ihre Verantwortung wahrnehmen und sich gerne für das Gemeinwohl engagieren.
Mich hat besonders das Thema «Menschenorientierung» angesprochen. Während in der Wirtschaft die Kundenorientierung stark verbreitet ist, passt im Bereich der öffentlichen Sicherheit die Menschenorientierung als Konzept sehr gut. Bei diesem Verständnis steht die Achtung und die Förderung des Wohlbefindens aller Menschen im Mittelpunkt. Das passt sehr gut in der Führung wie auch in der täglichen Polizeiarbeit. Die menschlichen Bedürfnisse spielen eine wichtige Rolle. Als hilfreiche Vertiefung empfand ich die Ausrichtung an der beidhändigen Führung (transaktional und transformational), weil wir hier schon auf gutem Weg sind in der Kantonalen Verwaltung St.Gallen, wie auch bei der Kantonspolizei St.Gallen. Speziell zum Thema Kultur hat mich das Eisbergmodell von Edward T. Hall angesprochen. Das hilft für das Verständnis von Kultur und Kulturentwicklung. Aber auch eine gute, gemeinsam erarbeitete Strategie kann kulturelle Entwicklung unterstützen. Werteorientierung spricht mich ebenfalls sehr an.
Meine direktunterstellten Mitarbeiter gut kennenlernen. Vertrauen und Beziehungen aufbauen. Die Basis für eine gute Zusammenarbeit schaffen. Die Organisation gut kennenlernen und verstehen. Eine gute Basis aufbauen, um die Zukunft gemeinsam gestalten zu können.
Vielen Dank für die spannenden Einblicke liebe Barbara!